Bewältigung der psychischen Folgen der Pandemie: Strategiepapier der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer

Seit März 2020 prägt die Corona-Pandemie weite Teile des Lebens von Kindern, Jugendlichen und deren Familien. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben von Beginn an ein besonderes Augenmerk auf die Folgen für ihre jungen Patient*innen. Mittlerweile belegen auch zahlreiche Studien eindrücklich die Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen (s. z.B. Brakemeier et al. 2020, Leopoldina, 2021). Es zeigen sich insbesondere folgende Problemlagen:  

  • Vermehrte Anfragen zur Aufnahme einer Psychotherapie in den Praxen von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen (KJP), psychiatrischen Institutsambulanzen und Kinder- und Jugendpsychiatrien
  •  Zunahme der Komplexität der Fälle, der Symptomlast und der assoziierten Beeinträchtigungen
  • Verschlechterung der dringend erforderlichen Zusammenarbeit im Helfersystem
  • Längere Wartezeiten auf die Aufnahme in stationäre Einrichtungen (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Reha, psychosomatische Kliniken) und Häufung schwerer und komplexer Krankheitsbilder
  •  Zunahme von Schulvermeidung/Abstinenz und sozialem Rückzug

Um diese Problemlagen zu bewältigen, fordert die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer (OPK), die speziellen Bedarfe zur Erhaltung und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit neu bewerten. Sie hat zu diesem Zweck ein Expertengremium gegründet, das folgende Vorschläge erarbeitet hat: 

  1.  Stärkung der Zusammenarbeit – Einbezug von Psychotherapeut*innen in die Jugendhilfeausschüsse: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen sollten regelhaft in den Landesjugendhilfeausschüssen vertreten sein. Ihre Benennung sollte durch die OPK erfolgen.
  2. Stärkung von Präventionsangeboten in Kita, Schule und Kommune: Präventive Maßnahmen sollten flächendeckend ausgeweitet werden und auf die wissenschaftlich belegten Pandemiefolgen zielen (Ängste, gedrückte Stimmung, Schlafstörungen, Stressmanagement, Umgang mit Belastungen und Krisen).
  3.  Stärkung der psychotherapeutischen und psychologischen Expertise in den Schulen: Es bedarf professioneller Supervisions- sowie Fortbildungsangebote zu Themen der psychischen Gesundheit durch Psychotherapeut*innen für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte. Dazu müssen Stellen für approbierte Psychotherapeut*innen geschaffen werden. 
  4. Bei der schulpsychologischen Beratung ist der Versorgungsschlüssel in Deutschland deutlich zu gering. Die Bundesländer müssen hier dringend nachbessern und neue Stellen für Schulpsycholog*innen schaffen. Auch Schülerinnen und Schüler mit diagnostizierten psychischen Erkrankungen haben einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Dieser muss im Schulsystem ins Bewusstsein von Lehrkräften, Eltern und Betreuern sowie Fachkräften im Helfersystem gerückt und konsequent umgesetzt werden. 

Das ausführliche Strategiepapier kann hier als PDF abgerufen werden.

SCHULE NEU DENKEN. Welche Bildung brauchen wir für eine zukunftsfähige Gesellschaft?

Auf Initiative des Verbandes der Schulpsychologie in Sachsen-Anhalt wird am 21. August Margret Rasfeld in Magdeburg im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung zu Gast sein.

Margret Rasfeld, war bis 2016 Schulleiterin in Berlin und gründete 2012 zusammen mit Stephan Breidenbach und Gerald Hüther die Initiative „Schule im Aufbruch“, um eine bundesweite Bewegung für eine Schultransformation zu initiieren. Diese wurde von der UNESCO und dem BMBF als Umsetzungspartner für die Agenda 2030 und den nationalen Aktionsplan ausgezeichnet.

Die Veranstaltung vermittelt anhand konkreter Beispiele Einblicke und gibt Anregungen in:

  • eine neue (andere, moderne) Lernkultur durch die Verbindung unterschiedlicher Konzepte,
  • vielfältige agile Lernformate,
  • einen Bildungsansatz, der auf Potentialentfaltung, Kreativität und gegenseitige Wertschätzung abzielt
  • sowie eine Orientierung, welche Wege Schule gehen sollte um auf die zunehmende Digitalisierung zu reagieren

Anmeldungen sind über das LISA möglich. Potenziell teilnehmende Lehrkräfte/Kollegien sollten sich am besten vorregistrieren lassen, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt.

Fachgespräch zur Schulqualität vorgeschlagen

Vier Fachverbände, die Lehrkräfte, Schulleitungen, Schulpsychologie und Schulaufsicht unseres Bundeslandes repräsentieren, haben sich mit einer gemeinsamen Stellungnahme an die Öffentlichkeit und den Bildungsausschuss des Landtages gewandt. Getragen wird die Stellungnahme der Verbände von einer Analyse des aktuellen Zustandes unseres Bildungssystems und der damit verbundenen Sorge um die Qualität der schulischen Bildung unserer Kinder. Dieses Thema wird derzeit zurecht sehr stark in der Öffentlichkeit diskutiert.

Aus unserer festen Überzeugung und täglichen Erfahrung kann es nicht mehr allein um die anerkannt zentrale Frage der Gestaltung des Einstellungsverfahrens für neues Schulpersonal gehen – denn allein über Neueinstellungen lässt sich der anhaltende Fachkräftemangel an den Schulen auf absehbare Zeit nicht mehr lösen.

Wir wollen deshalb praktische Umsetzungen weitergehender Vorschläge und Ideen sachlich, konstruktiv und lösungsorientiert einbringen und diskutieren. Dazu unterbreiten wir konkrete Vorschläge und möchten alle an Bildung Beteiligten motivieren es in gleicher Weise (weiterhin) zu tun. Es gibt bereits viele engagierte Menschen und Organisationen mit klugen Ideen, jedoch fehlt eine breite, gemeinsam organisierte Plattform, die aus unserer Sicht notwendig ist.

Im Sinne einer gemeinsamen Suche nach Lösungen haben unsere vier Verbände einen Anfang gemacht und sich über verschiedene Berufsgruppen hinweg auf gemeinsame Standpunkte und Vorschläge geeinigt. Diese Gedanken wollen wir nun weiter befördern und haben daher den Bildungsausschuss des Landtages über unsere Vorstellungen informiert und zu einer Diskussion eingeladen.

Wir gehen fest davon aus, dass wir mit unserem Anliegen das Interesse der politisch Verantwortlichen unseres Landes wecken und im Sinne unserer Landeskinder weiter vorankommen. Gern können sich auch andere Verbände oder Initiativen unserem Ansinnen anschließen.

Schulqualität und Bildungschancen in Gefahr

Mehr Verlässlichkeit und Handlungssicherheit für Sachsen-Anhalts Schulen notwendig

Die Landesfachverbände der Schulaufsicht, der Schulpsychologen, der Schulleitungen sowie der Ganztagsschulen sehen angesichts des gravierenden Personalmangels an den Schulen in Sachsen-Anhalt die Qualität der schulischen Bildung und folglich die Bildungschancen der Landeskinder als stark gefährdet an. Die Voraussetzungen dafür, den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu sichern, werden Jahr für Jahr schlechter. Das Potential der Schulabschlüsse im nationalen und internationalen Wettbewerb um Arbeitsmarktchancen und gesellschaftliche Teilhabe wird für künftige Absolventinnen und Absolventen mehr und mehr beeinträchtigt. Viele Eltern und ihre Kinder sind zurecht beunruhigt und bangen um die Berücksichtigung bei der Vergabe von Ausbildungs- und Studienplätzen.

Die vier Fachverbände sind deshalb alarmiert und fordern gemeinsame Anstrengungen aller Akteure und Verantwortlichen in der schulischen Bildung, die Qualität und Effektivität des Schulsystems in Sachsen-Anhalt sowie den schulgesetzlichen Auftrag für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu sichern. Dafür sehen die Verbände folgende Handlungsschwerpunkte:

1) Ressourcensystem stärken

Die Deckung des entsprechend der jeweiligen Schulform tatsächlichen Bedarfes an Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen muss weiterhin das Hauptziel bleiben. Zudem erfordert die Vielfalt der zu bewältigenden Aufgaben eine Stärkung des Ressourcensystems, das die Schulleitungen und Lehrkräfte in ihrer täglichen Arbeit flächendeckend unterstützt. Dazu gehören (a) ein tragfähiges Unterstützungssystem in den Schulbehörden, (b) die Etablierung von Schulsozialarbeit als Regelaufgabe sowie (c) die Stärkung des schulexternen Netzwerkes bspw. in der Elternberatung, der Kinder- und Jugendhilfe oder der Gesundheitsfürsorge.

Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass angesichts schwindender Zeitressourcen möglichst viel pädagogische Arbeitszeit direkt bei den Schülerinnen und Schülern ankommt. Dafür sollten (d) den Schulen unterstützende Materialien für Unterricht, Schulentwicklung und Schulverwaltung durch die Schulbehörden zur Verfügung gestellt werden. Und nicht zuletzt könnte (e) die Einstellung von Schulassistenten Schulleitungen und Lehrkräfte bei der Erfüllung notwendiger Aufgaben entlasten.

2) Handlungssicherheit erhöhen – Handlungsfähigkeit verbessern

Angesichts der aktuellen personellen Mangelverwaltung gewinnen glaubwürdige Standards für die Gewährung von Handlungssicherheit von Lehrkräften und Schulleitungen an Bedeutung. Dazu gehören (a) eine aufeinander abgestimmte, konsistente Erlasslage, (b) die Schaffung verlässlicher Strukturen über die Laufzeit von einem Schuljahr hinaus, (c) die Formulierung und Umsetzung klarer bildungspolitischer Zielstellungen jenseits der bloßen Absicherung der Unterrichtsversorgung sowie (d) die Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Verfahren zur Personalgewinnung.

Zudem bedarf es (e) der Vereinbarung verbindlicher Standards für die konkreten personellen und sächlichen Lehr- und Lernbedingungen, die zur Sicherstellung der Unterrichtsqualität nicht weiter unterschritten werden dürfen. Nicht zuletzt benötigen die Schulleitungen (f) garantierte Gestaltungsspielräume, um mit Unterrichtsplanung, Personaleinsatz sowie mit Förder- und Integrationsmaßnahmen flexibel auf knappe personelle Ressourcen reagieren zu können.

3) Teamarbeit auf allen Ebenen

Eine gute Schule ist heute nur mit Teamarbeit zu erreichen. Diese erfordert nicht nur ein kollegiales Zusammenarbeiten in den Schulen vor Ort, sondern auf allen Ebenen des Schulsystems. Die Sicherstellung der Qualität im Bildungssystem kann nur gemeinsam gelingen. Dazu gehört es, dass das federführende Bildungsministerium einen lösungsorientierten Austausch mit schulischen Akteuren, Verantwortlichen und schulbezogenen Fachverbänden initiiert und in einen dauerhaft tragfähigen Modus überführt.

Ein Gegeneinander und gegenseitiges Ausschließen kann mit Blick auf die Verantwortung für das Wohl und die Zukunft der Schülerinnen und Schüler des Landes niemand wollen. Alle an schulischer Bildung beteiligten Kräfte können hingegen gemeinsam – mit ihren vielfältigen Expertisen, Erfahrungen und Ideen – spürbare Verbesserungen der Unterrichtsbedingungen an den Schulen in Sachsen-Anhalt herbeiführen.

Verband der Schulaufsicht Sachsen-Anhalt e.V. (VSSA)
Verband der Schulpsychologen Sachsen-Anhalt e.V. (VSPSA)
Schulleitungsverband Sachsen-Anhalt e.V. (SLVST)
Ganztagsschulverband e.V. Landesverband Sachsen-Anhalt

Schulpsychologie: Mangelversorgung in Sachsen-Anhalt

Ruf nach mehr schulpsychologischer Unterstützung muss die Schaffung neuer Stellen für Schulpsychologen nach sich ziehen.

Der Verband der Schulpsychologen Sachsen-Anhalt begrüßt die Ankündigung des Bildungsministers Marco Tullner, mehr schulpsychologische Stellen im Land Sachsen-Anhalt zu schaffen. Gerade in den letzten Jahren ist die Nachfrage an schulpsychologischer Unterstützung an den Schulen, insbesondere in Krisenfällen, gewachsen. Im gleichen Zeitraum hat die Zahl der aktiven Schulpsychologen weiter stetig abgenommen. „Unser Verband sieht die Belastungsgrenze als deutlich überschritten an“, so Birka Bergmann, Vorsitzende des Verbandes.

In den Fällen des Polizeieinsatzes an der Grundschule in Helbra und eines Elternbriefes aus Hessen wurde über die Medien der Ruf nach mehr schulpsychologischer Unterstützung laut. Aktuell im Fall des Todes eines Schülers in Weißenfels sind die Schulen für die Unterstützung durch die Schulpsychologen vor Ort sehr dankbar. Entsprechend der Empfehlung der Kultusministerkonferenz sollte ein Schulpsychologe für 5.000 Schülerinnen und Schüler da sein. Aktuell liegt in Sachsen-Anhalt mit 17 Vollzeitstellen (*) im Referat Schulpsychologie die Relation Schulpsychologe zu Schüler bei durchschnittlich 1:14.000, wobei es in einzelnen Regionen auch zeitweilig bis 1:20.000 sein können. Damit ergibt sich eine Versorgungsquote von nicht einmal mehr 50%. Sachsen- Anhalt ist damit seit 2012 von Platz 5 auf Platz 11 unter den Bundesländern abgerutscht, da die meisten anderen Länder mehr Stellen geschaffen hatten. Schlusslicht Sachsen hat erst kürzlich angekündigt, ab 2019 bis zu 20 zusätzliche Schulpsychologen neu einzustellen.

Die Aufgaben der Schulpsychologen in Sachsen-Anhalt umfassen neben der Diagnostik und Beratung bei Lern- und Leistungsproblemen unter anderem die Beratung bei psychischen Beeinträchtigungen, die Fortbildung von Schulleitungen und Lehrkräften, die Beratung bei der Schulentwicklung und der Umsetzung der Inklusion sowie zunehmend die Intervention in akuten Krisenfällen. In letzteren Fällen besteht trotz dünner Personaldecke der Anspruch, als unmittelbare Hilfe zur Verfügung zu stehen. Bundesweite Trends deuten zudem eine Aufgabenausweitung und Zunahme schulpsychologischer Anfragen an

„Um unsere Aufgaben weiter erfüllen und die Schulen bestmöglich bei der Bewältigung der täglichen Anforderungen unterstützen zu können, brauchen wir auch in Sachsen-Anhalt mehr Schulpsychologen. Die Umsetzung der Ankündigung des Bildungsministeriums würde die aktuelle Mangelversorgung deutlich entspannen“, so Frau Bergmann abschließend.

Presseerklärung des Verbandes der Schulpsychologen Sachsen-Anhalt

*gemeint sind hier die tatsächlich von Schulpsycholog*innen regelmäßig geleisteten Stunden, d.h. effektiv werden in Sachsen-Anhalt 17×40 Wochenstunden durch Schulpsycholog*innen geleistet. 

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